Das tun, was wichtig ist im Leben

Lea Völker geht für ein Jahr als „Jesuit European Volunteer“ nach Bosnien

Göttingen (kpg) – Noch sind die Koffer nicht gepackt, aber von ihrer Familie hat sich Lea Völker schon verabschiedet: In vier Wochen bricht die 23-jährige Studentin aus Göttingen nach Bosnien auf. Dort will sie ein Jahr im Nordosten des Landes in der Stadt Tuzla leben und in einem Kindergarten arbeiten. Besonders schwer wird ihr Gepäck sicher nicht: „Ich werde und will in Bosnien unter sehr einfachen Bedingungen leben, ganz auf Luxus verzichten“, sagt die Lehramtsstudentin. „Dann werde ich sehen, was bleibt: Und das wird sicher auch die Auseinandersetzung mit dem Glauben sein.“

Denn Lea, die erst seit zwei Jahren katholisch ist, hat sich für ihr Freiwilligenjahr einen christlichen Träger gesucht. „JEV“ heißt das Programm, die Abkürzung steht für „Jesuit European Volunteer“, das Motto: „Ein Jahr anders leben“. Das Werk des Jesuitenordens bietet jungen Menschen die Möglichkeit, ein Jahr in sozialen Projekten zum Beispiel in Deutschland, Österreich, Bosnien, Polen und Rumänien mitzuarbeiten. Dabei werden die Freiwilligen von einem Förderkreis unterstützt, den sie sich selbst aufbauen müssen. Die Förderer erhalten regelmäßig Rundbriefe der Freiwilligen und können den Einsatz finanziell unterstützen. Die Freiwilligen selbst, die immer zu viert in einer Kommunität zusammenleben, orientieren sich während ihres Jahres nach den vier Grundlinien: Einsatz für Gerechtigkeit, Leben in Gemeinschaft, gelebter Glaube und ein einfacher Lebensstil – genau das, wonach Lea gesucht hat. „Ich bin so privilegiert. Ich will für Kinder da sein, die aus zerrissenen Familien kommen, ich will die Geschichte des Landes verstehen und mit den Menschen dort leben“, erzählt sie mit leuchtenden Augen. Seit einem halben Jahr lernt sie die Landessprache, auch mit der Landeskunde, der Geschichte und der Religion Bosniens hat sich die Studentin in Vorbereitungsseminaren des Jesuitenordens auseinandergesetzt.

Am wichtigsten jedoch ist ihr der Aspekt des „gelebten Glaubens“. „Früher habe ich gedacht: Religion ist nur was für schwache Menschen“, erinnert sie sich. Eine Studienkrise jedoch bringt sie zum Nachdenken, „darüber was wirklich wichtig ist im Leben“. Sie beginnt regelmäßig die Messe zu besuchen. „Ich habe mich heimlich aus der WG geschlichen oder so getan als würde ich zur Uni gehen, denn meine Kommilitonen kannten mich ja so nicht“, erzählt sie. Nach anfänglichen großen Selbstzweifeln und intensiven Gesprächen zum Beispiel mit dem damaligen Kaplan von St. Michael ist sie jedoch überzeugt, den richtigen Weg für sich gefunden zu haben. „Jetzt fühle ich mich ein bisschen wie frisch verheiratet.“

So habe der Glaube ihr auch geholfen, die hohen Leistungsansprüche an sich selbst aufzugeben: Lea verlängert ihr Französisch- und Deutschstudium um ein Jahr, um mehr Zeit für ihre ehrenamtlichen Aktivitäten zu haben. An der Universität engagiert sich für die Integration ausländischer Studierender, sie hilft im Weltladen-Café aus und stellt ein Nachhilfeprogramm für Schülerinnen und Schüler der Bonifatiusschule II auf die Beine, an dem sich mittlerweile 37 Studierende beteiligen. „Ich bin sehr motiviert“, sagt sie. Man glaubt es ihr sofort.