Die Schatztruhe des Stammes

Das Online-Archiv der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG), Stamm Göttingen.

Wer in die Archivräume der katholischen Pfadfinder in Göttingen kommt, atmet lebendige Geschichte ein. Zahlreiche Ordner, Bücher und Kladden erinnern an ein normales Büro. Aber es ist viel mehr als das: Bunte Wimpel, Fahnen, Abzeichen und Kluften sind Zeugen einer Ära von Abenteuerlust, christlicher Gemeinschaft und Naturverbundenheit.

Das ist das Reich von Manfred Reddig. Der 2. Vorsitzender im 1980 gegründeten Förderverein des Stammes hat das Archiv mit aufgebaut. Zusammen mit Karl-Heinz Ringel widmet er sich seit 12 Jahren der Digitalisierung zahlreicher Dias, Fotos, Super-8-Filmen und Logbüchern. „So sind schon mehr als 100 Gigabyte Daten zusammen gekommen“, erzählt Reddig stolz. Neben dem Sichten von privatem Material, stöbert er in Stadtarchiven und Bibliotheken. Ehemalige Pfadfinder lassen ihm Dokumente zukommen: „Im digitalen Zeitalter geht das natürlich alles schneller als früher“, so berichtet Herr Reddig. Ab 2010 begann er zusammen mit Peter Tyra das Online-Archiv aufzubauen, das Anfang 2015 veröffentlicht wurde. „Die Chronik beginnt zur Stammesgründung 1931 und ist bis 1946 weitgehend vollständig, Die Jahre danach sind leider teilweise noch lückenhaft rekonstruiert“, sagt Reddig.

Sobald man sich in die reich illustrierte Chronik einliest, gibt es kein Zurück mehr. Die Geschichten ziehen einen in den Bann. Das Pfingsttreffen von 1935 auf dem Höherberg ist besonders gut dokumentiert. Kluft, Banner und Wimpel waren verboten, die Jungs halfen sich mit „Geheimer Kluft“ in schwarzer Hose und weißem Hemd aus. Die Aktion wurde von einem Gendarm aufgelöst. Später mussten sich mehrere Pfadfinder unangenehmen Verhören der Gestapo unterziehen. Zum Glück wurden keine Strafen verhängt.

Robert Rittmeier hat damals nach dieser Aktion seine Erlebnisse in Versform festgehalten. Er ist der Junge auf dem Ölgemälde (gefallen  1941 bei Moskau). Das Bild hatte ein Freund Ende 1938 anhand einer Foto-Vorlage erstellt. Auf seinem Hut ist ein seltenes Abzeichen zu erkennen. „Diese Lilie mag später als Vorlage für die silberne Anstecknadel der DPSG gedient haben“, erläutert der Archivar.

Susanne Fricke