Die Würde der Menschen erhalten

Bistum Hildesheim geht neue Wege in der Altenheimseelsorge

Göttingen (pgu) – Sie spielt den Anwesenden ein altes Volkslied vor oder legt eine Kassette mit Vogelgezwitscher ein, ein anderes Mal hat sie hat Rosen oder Früchte dabei, an denen die Gottesdienstbesucher riechen können, jedes Mal zeichnet sie mit Weihwasser ein Kreuzzeichen auf die Stirn der Menschen: Beatrix Michels entwickelt neue Formen des Gottesdienstes für Demenzkranke.

Seit einigen Monaten arbeitet die Gemeindereferentin, die zuvor die katholische Familienbildungsstätte in Duderstadt geleitet hat, als Altenheimseelsorgerin im St. Paulus-Stift in Göttingen. Die Gottesdienste mit den Bewohnern sind ihr ein „Herzensanliegen“, wie sie sagt: „Viele Menschen mit Demenz lassen sich durch einen traditionellen Gottesdienst nicht mehr oder kaum noch ansprechen“, hat Michels festgestellt. Deshalb versucht sie gezielt, die Sinne der alten Menschen anzusprechen: mit den Rosen zum Valentinstag, den Früchten zum Erntedank, der Kassette zum Thema Frühling. „Es funktioniert“, erzählt sie stolz: „Als eine Frau die Vogelstimmen hörte, fing sie an zu strahlen. Und so gelingt es immer, dass jemand in diesen Gottesdiensten punktuell aufwacht.“ Auch in nicht-katholischen Häusern in und um Göttingen sind Michels´ Wortgottesdienste mittlerweile gefragt.

Die Gottesdienste für demenzkranke Menschen sind aber nur ein Bereich ihrer Tätigkeit, die Teil eines Bistumsprojektes ist: „Wir wollen im gesamten Bistum Hildesheim die Seelsorge in Altenheimen neu strukturieren und ausbauen“, sagt Gregor Schneider-Blanc, Referent der Hauptabeilung Pastoral im bischöflichen Generalvikariat Hildesheim. Göttingen ist nur das erste Betätigungsfeld. „Altenheimseelsorge soll mehr sein als ein Gottesdienst, zu dem der Pfarrer der Gemeinde ins Altenheim kommt“, ergänzt Michels.

Dazu gehört vor allem, Ehrenamtliche zu gewinnen. Seit kurzem gibt es in Göttingen ein „Netzwerk Altenheim“, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Freiwillige zu finden und zu fördern. Neun Alten- und Pflegeheime der Stadt beteiligen sich daran. Michels ist Kooperationspartnerin dieses Netzwerkes, kümmert sich um die Qualifizierung und Fortbildung der Freiwilligen, hält Kontakt zu den Freiwilligenbeauftragten der Alten- und Pflegeheime. Und sie spricht gezielt Pfarrgemeindemitglieder an, die bereit sind, Gottesdienste für Demenzkranke zu begleiten, die die Altenheimbewohner zu Gemeindenachmittagen abholen oder – ihr Wunsch – als Kommunionhelfer den Bettlägrigen die Kommunion bringen. In vielen nicht-katholischen Häusern sei dafür nämlich niemand da, so Michels, die ihre Aufgabe nicht nur auf katholische Einrichtungen beschränkt sieht. Sterbebegleitung sei ein weiteres mögliches Betätigungsfeld für Freiwillige: „Da braucht man gut geschulte Leute“ – die sie auch außerhalb von Pfarrgemeinden sucht, etwa durch Mini-Inserate im Supermarkt. Die Bewohner der Alten- und Pflegeheime verstärkt in das Gemeindeleben zu integrieren ist ebenfalls ein Ziel ihrer Arbeit: So könnten sich Bibelkreise und Gesprächsgruppen der Pfarrgemeinde auch mal im Altenheim treffen, Firmgruppen die alten Menschen besuchen oder Krabbelgruppen die Altenheimbewohner einladen. Getrieben ist ihre Arbeit vor allem durch einen Wunsch: „Ich möchte dafür sorgen, dass den Menschen in den Altenheimen ihre Würde erhalten bleibt.“