Ein Ort für die, die sonst nirgends erwünscht sind

Gemeinde St. Michael in Göttingen feiert 20 Jahre Mittagstisch

Göttingen (kpg) – Vor 20 Jahren gründete die katholische Gemeinde St. Michael in Göttingen einen Mittagstisch für Obdachlose und Bedürftige in der Turmstraße. Am 17. und 18. September wird das Jubiläum mit einem Festakt, einem Dankgottesdienst und einem Tag der offenen Tür gefeiert.

Die Initiative zur Gründung des Mittagstisches ging vom damaligen Pfarrer von St. Michael, dem Jesuitenpater Heribert Graab, aus. „Es ist eine alte Tradition, dass Bedürftige an Klostertüren klopfen“, so Graab. In Zusammenarbeit mit einem Imbiss in der Kurzen Straße verteilte er zunächst Essensgutscheine, weil er nicht wollte, dass die Obdachlosen die kleinen Spenden in Alkohol umsetzten. Ende der 80er Jahre kaufte dann das Bistum Hildesheim ein Gebäude in der Turmstraße, um dort den Bau einer Discothek zu verhindern. Das leer stehende Haus brachte Grab auf die Idee für den Mittagstisch, der am 1. September 1990 eröffnet wurde: „Das war eine Fügung Gottes.“

Menschen einen Raum zu bieten, die an anderen Orten unerwünscht sind – das ist bis heute die Devise von Leiter Ralf-Peter Reinke. Täglich erhalten in der Turmstraße von 12 bis 14 Uhr zwischen 30 und 60 Personen gegen ein geringes Entgelt eine warme Mahlzeit, die die Göttinger Tafel liefert. Neben dem hauptamtlichen Leiter und einem Zivildienstleistenden kümmern sich im Wechsel 35 ehrenamtliche Helfer um die Gäste. Der kleine Betrieb mit einem Jahresbudget von 70 000 Euro finanziert sich neben Zuschüssen der Stadt, der Pfarrei und des katholischen Gesamtverbands Göttingen auch durch Spenden. Auch an Sonn- und Feiertagen ist der Mittagstisch geöffnet. „Diese Verlässlichkeit ist mir ein besonderes Anliegen“, sagt Reinke. „Der Mittagstisch hat den Charakter einer Infrastruktur. Der ist wie die Straße, er ist immer da, auch wenn mal eine Baustelle da ist.“

Eine Baustelle war auch der Mittagstisch selbst in den vergangenen Monaten. Der Verschleiß und die Bausubstanz hatten eine umfassende Renovierung erforderlich gemacht. Gästebereich und Garderobe, Mitarbeiterbereich und Büro, Küche und Toiletten – alles wurde von Grund auf saniert und soll bis zum Jubiläum am 17. und 18. September fertiggestellt sein. Finanziert wird der Umbau, der rund 128 000 Euro kosten soll, vom Bonifatiuswerk der Katholiken, dem Bistum Hildesheim, der Stadt, dem Beirat und durch Spenden. Dass die Kosten nicht höher ausfallen, liegt auch am Einsatz zahlreicher Freiwilliger. „Auch der Architekt hat seine Arbeit ehrenamtlich gemacht“, berichtet Eberhard Walter, der Koordinator des Mittagstisches, der ebenfalls ehrenamtlich tätig ist. Während der gesamten Umbauphase lief der Tagesbetrieb weiter. „Das war schon schwierig“, gibt Walter zu. Aber die Verlässlichkeit sollte auch in dieser Zeit gewährleistet werden. „Der Mittagstisch ist nicht nur Speise und Infrastruktur. Zu essen geben ist eine der Kardinalbotschaften des Neuen Testaments, und Gastfreundschaft ist eine der Kardinaltugenden insbesondere des Alten Testaments.“

Das 20-jährige Jubiläum des Mittagstisches St. Michael wird am Freitag, 17. September, mit einem Empfang für geladene Gäste im Gemeindezentrum gefeiert. Unter anderem wird Heiner Pott, Staatssekretär im niedersächsischen Sozialministerium, ein Grußwort sprechen. Um 18.30 Uhr findet ein Dankgottesdienst in der Kirche statt. Am Samstag, 18. September, sind Interessierte von 10 bis 12 Uhr eingeladen, sich die renovierten Räume des Mittagstisches anzusehen. Zudem gibt es einen „Mittagstisch auf der Straße“ mit Speisen, Getränken und Livemusik.