Fast wie eine eigene Enkelin

Caritas-Freiwilligenzentrum bietet "Großelterndienst"

Göttingen (pgu) – Um 15 Uhr sind sie jeden Donnerstag verabredet. Doch Vera steht schon lange vorher an der Eingangstür und schaut ins Treppenhaus, dann läuft sie ans Fenster und schaut sehnsüchtig auf die Straße. Die Sechsjährige wartet auf „ihre“ Großeltern, Christa und Reinhard Henkel. Als die um Punkt 15 Uhr im Türrahmen erscheinen, werden sie mit einer dicken Umarmung begrüßt. Dabei sind Vera und die Henkels weder verwandt noch verschwägert.

Seit einem halben Jahr nehmen die Henkels und Familie Aeschlimann teil am Projekt „Großelterndienst“ des Bonus-Freiwilligenzentrums der Caritas und der katholischen Ehe-, Familie- und Lebensberatung in Göttingen. Einmal in der Woche treffen sich Senioren für etwa drei Stunden als „Oma bzw. Opa auf Zeit“ ehrenamtlich mit einem oder mehreren Kindern einer Göttinger Familie: Sie spielen gemeinsam, machen kleinere Ausflüge in die Umgebung, lesen den Kindern vor, gehen ins Schwimmbad oder ähnliches. Die Familien der Kinder zahlen einen Unkostenbeitrag von bis zu zehn Euro pro Treffen. Die Großeltern sollen aber keinesfalls lediglich günstige Babysitter sein, so Projektleiterin Elsbeth Böhnel-Rösch vom Freiwilligenzentrum. Auch gehe es nicht darum, dass die freiwilligen Paten sich deshalb um ein Kind kümmern, weil es zu Hause nicht die nötige Zuwendung bekomme. Im Gegenteil: „Von dem Projekt profitieren alle Seiten: Die Großeltern machen die Erfahrung, gebraucht zu werden, können die Spontaneität und Aktivität der Kinder genießen, die Eltern werden entlastet und die Kinder gewinnen eine neue Bezugsperson, die nur mit ihnen etwas unternimmt.“

Wie sehr ihre Tochter genau das schätzt, hat auch Mutter Franziska Aeschlimann beobachtet. Vera sieht ihre eigenen Großeltern nur selten, weil sie weit entfernt wohnen. In einer Universitätsstadt wie Göttingen sei das ganz typisch, so Böhnel-Rösch. „Wenn Vera sich mit den Henkels trifft, ist nie jemand von uns dabei, die beiden sind nur für sie da. Und ich finde es wichtig, dass sie Kontakt hat zu älteren Menschen“, erzählt Aeschlimann. Auch Christa und Reinhard Henkel, die selbst keine Enkel haben, genießen den Kontakt: „Sie ist mittlerweile wie unsere eigene Enkelin“, sagt Reinhard Henkel. Und seine Frau ergänzt: „Vera strahlt so viel Lebensfreude aus, das macht mir einfach Spaß.“

Vom Projekt erfahren haben die Henkels in ihrer Kirchengemeinde St. Paulus in Göttingen. Hier haben das Bonus-Freiwilligenzentrum und die Ehe-, Familien- und Lebensberatung ihre Suche nach interessierten Familien und Senioren im Sommer vergangenen Jahres gestartet. Wer mitmachen wollte, kam zu einem persönlichen Beratungsgespräch ins Bonus-Freiwilligenzentrum. Hier fand auch der erste Kontakt zwischen Familien und Ehrenamtlichen statt. Die Arbeit des Organisationsteams ist damit aber nicht beendet: Denn die teilnehmenden Senioren verpflichten sich, monatlich an einem von der Projektleitung fachlich geführten Erfahrungsaustausch teilzunehmen. Böhnel-Rösch bietet außerdem Fortbildungen an. Der Erfahrungsaustausch diene der Reflexion, der Klärung möglicher Probleme und leiste – wenn gewünscht – Hilfestellung für den Umgang mit Kindern, so die Diplom-Psychologin.

Vera interessiert all das nur wenig. Sie kann es kaum erwarten, mit „ihren“ Großeltern in die Stadt zu fahren – nicht, ohne sich vorher begeistert auf das Überraschungs-Ei zu stürzen, dass die Henkels ihr heute mitgebracht haben. „Mit Kleinigkeiten kann man Kindern eine so große Freude machen“, strahlt Christa Henkel. „Allein deswegen lohnt es sich, mitzumachen.“