Im Alter nicht allein

Im Herzen von Duderstadt liegt das Lorenz-Werthmann-Haus, die erste ambulant betreute Wohngemeinschaft des Caritasverbandes für Stadt und Landkreis Göttingen

Duderstadt (kpg) – 11 Uhr in der Scharrenstraße 9/11 in Duderstadt. Roswitha Sommerfeld, Anneliese Hucke und Angela Schneider stehen in der hellen Küche, schälen Kartoffeln, hantieren mit Schüsseln und Geschirrtüchern und rühren im Topf. Ein Kuchen steht schon im Backofen. Kartoffelpüree mit Spinat und Würstchen stehen heute auf dem Speiseplan. Nur in der Frage, ob Knoblauch in das Püree gehört, sind sich die alten Damen nicht ganz einig. Eine Situation, wie sie sich täglich unter Familienmitgliedern abspielt.

Fast wie ein einer richtigen Familie – so fühlen sich auch die drei Seniorinnen im Lorenz-Werthmann-Haus, einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft im Herzen der Stadt. Im August haben sie ihr neues Zuhause bezogen, seitdem teilen sie ihren Alltag miteinander. Acht Männer und Frauen leben hier mittlerweile unter einem Dach. „Vorher war ich allein, hier habe ich immer jemanden zum Reden“, strahlt Angela Schneider. Die Seniorin hat einen eigenen Fernseher in ihrem Zimmer, „aber hier gucke ich nie, nur im Gemeinschaftsraum“.

Wenn Gerd Hegerkamp, Leiter der Sozialstation des Caritasverbandes, solche Sätze hört, lächelt er zufrieden. Denn genau mit diesem Ziel hat der Caritasverband für Stadt und Landkreis Göttingen das Haus der Senioren, niedersachsenweit die erste Caritas-Einrichtung dieser Art, vor ein paar Wochen eröffnet. „Wir haben überlegt: Wie geht es für alte Menschen weiter, wenn die Pflegebedürftigkeit zunimmt? Welche Alternative haben sie zu einem Leben mit teurer Rund-um-die-Uhr-Betreuung zu Haus und zu einer stationären Unterbringung in einem Altenheim?“ So will das Lorenz-Werthmann-Haus den Senioren ein Leben in Selbstbestimmung und Normalität bei größtmöglicher Sicherheit bieten. Rund um die Uhr sind entweder Pflegekräfte, Krankenschwestern, Hauswirtschaftskräfte, Demenzbetreuer, eine FSJlerin oder die Nachtwache für die Bewohner da.

„Jeder entscheidet selbst“

Drei Stockwerke hat das Haus, benannt nach dem Gründer des Deutschen Caritasverbandes: Im ersten und zweiten Stock eine Wohngemeinschaft für zehn pflegebedürftige Personen unter anderem mit dementieller Erkrankung auf 400 Quadratmetern, dazu eine großzügige Dachterrasse von 250 Quadratmetern, im Dachgeschoss eine kleinere Wohngemeinschaft für vier Personen. Alle Bewohner sind eigenständige Mieter, die nur die Pflege in Anspruch nehmen, die sie benötigen, und ihren Tagesablauf selbst bestimmen. „Das heißt: Jeder entscheidet selbst, wann er aufsteht und schlafen geht, wann und was er isst, was er unternehmen will, wie er sein Zimmer gestaltet“, so Hegerkamp. Und: Die Mitarbeiter der Caritas versuchen, die Ressourcen der Bewohner zu fördern. „Alles, was sie selbst noch können und wollen, sollen sie auch selbst machen.“ Denn Beschäftigung und kleine Herausforderungen könnten den Verlauf einer Demenzerkrankung verzögern.
Auch im Erdgeschoss des Hauses warten Beschäftigungsmöglichkeiten. Hier befinden sich das Seniorenservicebüro sowie eine Seniorenbegegnungsstätte des Caritasverbandes mit offenen Angeboten für alle Senioren der Stadt vom offenen Singen bis zur Gruppe „Carena“, einem nachmittäglichen Betreuungsangebot für Senioren, die zu Hause gepflegt werden.

„Nicht abgekapselt, sondern eingebunden“

An diesem Vormittag ist auch Angela Schneiders Tochter zu Besuch gekommen. Regelmäßig kümmert sie sich um die Wäsche ihrer Mutter, macht ihr die Haare, holt sie zu Spaziergängen ab. Auch das sei typisch für die Wohngemeinschaft: „Die Angehörigen gehen hier ein und aus, es kommen Enkel und Schwiegerkinder“, so Schwester Maria Habich. Sie koordiniert den Einsatz des Pflegepersonals im Lorenz-Werthmann-Haus. Die Einbeziehung der Angehörigen gehört zum Konzept. Wie zu Hause auch sei auch hier die aktive Mitarbeit der Angehörigen möglich und wünschenswert. Übernehmen diese konkrete Tätigkeiten bei der Grundpflege und Hauswirtschaft – indem zum Beispiel die Tochter einmal in der Woche das Zimmer ihrer Mutter putzt oder ihren Vater regelmäßig zu Bett bringt – reduzieren sich damit auch die individuellen Kosten.

„Allein kam meine Mutter nicht mehr zurecht, bei mir konnte sie auch nicht wohnen“, sagt die 41-jährige Tochter von Angela Schneider. Wie einige andere Bewohner der Wohngemeinschaft leidet auch die 81-Jährige unter einer Altersdemenz. Sobald der ambulante Pflegedienst die alte Dame in ihrem alten Zuhause am Morgen verlassen hatte, ging auch Schneider das Haus, um ihre Tochter zu besuchen, lief zum Teil kilometerweit allein. „Ich wollte einfach nicht, dass ihr etwas passiert“, sagt die Tochter, die ihre Mutter jetzt im Seniorenhaus in guten Händen weiß. Vor ein paar Jahren habe ihre Mutter zudem schon einmal für einige Zeit in einer Senioreneinrichtung gelebt. „Aber sie hat dort nur allein in ihrem Zimmer gesessen. Hier ist sie nicht abgekapselt, sondern eingebunden.“

Kontakt: Caritas-Centrum Duderstadt, Sozialstation, Gerd Hegerkamp, Schützenring 1, 37115 Duderstadt, Telefon 05527 / 9813-16, E-Mail: hegerkamp@caritas-goettingen.de, Internet: www.caritas-goettingen.de