Managerin in christlicher Mission

Petra Gerlach ist die erste weltliche Oberin im Krankenhaus Neu-Mariahilf

Göttingen (kpg) – „Wie soll ich das in einem Satz beschreiben?“ Petra Gerlach hält einen Augenblick inne, dann sprudeln die Worte nur so aus ihr heraus: Sie spricht von Qualitätsmanagement, Führungsleitlinien, Evaluationsprozessen, Organisationsethik, Verhaltensprävention und Wirtschaftlichkeit. Petra Gerlach ist Krankenhausoberin der katholischen Klinik Neu-Mariahilf in Göttingen. Und die Frage war: Was macht eine Krankenhausoberin eigentlich?

Wenn sie spricht, glaubt man zunächst eine Managerin vor sich zu haben. „In der Tat sitze ich viel am Schreibtisch“, sagt die zierliche Frau. „Zu viel. Und als man mich vor sechs Jahren geragt hat, ob ich Oberin werden möchte, war ich unsicher, ob das wirklich der richtige Begriff für mich ist.“ Denn viele, die sie zum ersten Mal sehen, seien verwundert, dass sie keine Ordenstracht trage, erzählt sie. Petra Gerlach ist die erste weltliche Oberin des Krankenhauses, zuvor haben Vinzentinerinnen, in dessen Trägerschaft die Klinik liegt, diese Aufgabe wahrgenommen. Dass das heute nicht mehr so ist, hat einen einfachen Grund: Nachwuchsmangel. Nur noch drei Vinzentinerinnen leben im Klinikum. „Sie sind die guten Seelen hier. Sie prägen das Bild dieses Hauses.“

Dass dieser „vinzentinische Geist“, wie sie es nennt, darüber hinaus vom Patienten bis zum Chefarzt für alle spürbar ist, das hat Gerlach sich zur Aufgabe gemacht. Denn Qualitätsmanagement ist für sie mehr als Dokumentationen anzulegen und Arbeitsabläufe zu straffen. Es zeigt sich vor allem in der Aktion: Der wichtigste Tag des Klinikjahres ist für Gerlach deshalb der 27. September, der Namenstag des Heiligen Vinzenz.

Ein Brot für jeden Patienten

„Ich gebe zu: Die Idee habe ich geklaut“, schmunzelt Gerlach – nämlich aus dem Elisabeth-Krankenhaus in Koblenz, in dem sie 2004 der ebenfalls weltlichen Krankenhausoberin über die Schulter schaute. Dort gab es einen Elisabethtag, an dem die Oberin in Anlehnung an die Legende über die Heilige Brot und Rosen an die Patienten verteilte – die Idee für einen „Vinzenztag“ in Göttingen war geboren. So gehen Gerlach und die Mitarbeiter der Klinikleitung mit den Vinzentinerinnen an diesem Tag zu jedem einzelnen Patienten, schenken ihm ein kleines Brot in Form eines „V“ – „die Idee hatte unser Koch“ – und ein Faltblatt mit Informationen über den Heiligen und das Krankenhaus selbst. Noch wichtiger aber: Sie nehmen sich einen Augenblick Zeit für jeden einzelnen, fragen, wie es ihm geht und ob er sich gut aufgehoben fühlt. „Das ist eine sehr zeitintensive Geschichte im Klinikalltag, aber wir wollen das“, so Gerlach. „Mein Ziel ist es, dass die Patienten sagen: ‚Wenn ich hier liege, geht es mir gut‘ – auch wenn das in Zeiten von Sparzwang und Personalabbau nicht immer einfach ist.“

Dafür, sowohl Patienten als auch Mitarbeitern gerecht zu werden, soll auch das „Ethikkomitee“ der Klinik sorgen. Das Komitee, dem neben Gerlach auch der Geschäftsführer, ein Theologe, ein Jurist, ein Ethiker der Universität sowie Vertreter der Ärzteschaft und des Pflegeteams angehören, erstellt immer anhand einer konkreten Anfrage durch einen Arzt oder Patienten Handlungsrichtlinien für den Klinikalltag. An ihnen kann sich der behandelnde Arzt in Zweifelsfällen orientieren. Denn Gerlach ist überzeugt: Nur wenn es dem Personal gut geht, geht es auch den Patienten gut. Vor zwei Jahren hat sie deshalb mit dem Aufbau einer betrieblichen Gesundheitsförderung begonnen. „Wenn wir professionell Gesundheit fördern wollen, dann gilt das auch für den Mitarbeiter. Denn der ist Leistungsbringer“, sagt sie, wieder ganz Managerin.

Dass sie sowohl wirtschaftliches Denken als auch Spiritualität in sich vereint, hat sich mit den Jahren ergeben. Die aus dem Eichsfeld stammende Gerlach engagiert sich früh in der katholischen Jugendarbeit. Nach der Schule macht sie zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitet im Vinzenzkrankenhaus in Hannover. 1997 wechselt sie als Leiterin der Krankenpflegeschule in die Göttinger Klinik. Als die schließt, wird sie 2004 Oberin. Gerlach absolviert neben dieser Aufgabe ein Fernstudium für Führungskräfte in konfessionellen Einrichtungen in Vallendar. Ein zweites Fernstudium zur Gesundheitsmanagerin an der Fachhochschule in Bielefeld schließt sich an. „Langsam vervollständigt sich das Bild“, sagt sie. „Ich bin die Aufgabe hineingewachsen.“ Was nicht heißt, dass sie keine Zweifel hat. Selbst ans Aufhören hat sie dann und wann gedacht. Denn der Anspruch der Kongregation ist hoch: „Anwältin der Sprachlosen und Schwachen“ soll sie sein, so definieren es die Krankenhaus-Richtlinien. „Das zu erfüllen, ist eine wirklich hohe Herausforderung“, so Gerlach – der sie sich aber täglich neu stellt. Denn für sie gilt: „Wirtschaftlichkeit und Spiritualität kann man nicht voneinander trennen.“