„Slowenien liegt quasi vor der Haustür“

Frauen aus dem Land zwischen Alpen und Adria haben den Weltgebetstag 2019 vorbereitet – ein Interview mit Konstanze Schiedeck.

Die evangelische Theologin Konstanze Schiedeck (75) aus Göttingen bereist seit 2009 jährlich die Länder des Weltgebetstages. Anschließend gibt sie ihre Eindrücke bei zahlreichen Vorträgen an die Gemeinden weiter und wirbt für die Teilnahme an den Gottesdiensten am jeweils ersten Freitag im März. Sabine Moser sprach mit ihr über ihre Eindrücke aus Slowenien.

Aus welcher Motivation heraus bereisen Sie jedes Jahr die Länder, in denen der Weltgebetstag vorbereitet wird?
Der Weltgebetstag deckt alle meine Interessen ab. Schon als Kind habe ich mich für fremde Länder interessiert. Immer wieder bin ich überrascht, was man alles lernt, wenn man sich intensiv auf ein Land vorbereitet. Mir gefallen die Landeskunde, die Informationen aus erster Hand und sehr schön finde ich auch die intensive theologische Auseinandersetzung mit einem Gleichnis oder Bibelwort, das die Frauen vor Ort für die ganze Welt auswählten. Das alles bereichert mich sehr und begleitet mich ein ganzes Jahr. Meine Eindrücke und mein Wissen gebe ich auch gerne weiter.

Dieses Jahr waren Sie in Slowenien. Was reizt sie an dem Balkanstaat?
Slowenien ist voller Naturschönheiten und bietet sehr viel Abwechslung: Alpen, sanfte Hügel, die Adriaküste mit Piran und Koper und unterirdischen Karst. Ich nenne nur Postojna. Bled mit seinem See und der Marienkirche, aber auch das zwischen Bergketten versteckte Kartäuserkloster Žice (ehemals Seiz) mit dem ältesten Gasthaus der Welt beeindruckten mich. Die Hauptstadt Ljubljana ist ein Juwel. Als ich vergangenen Mai mit der Vorbereitungsgruppe aus Soest vom Flughafen Ljubljana in Innenstadt fuhr, waren die Gipfel der Berge noch schneebedeckt. Inzwischen ist mir Ljubljana so vertraut, dass ich dort Führungen machen könnte. Immer, wenn ich zum Fotografieren allein unterwegs war, fühlte ich mich absolut sicher.

Was ist das Besondere an dem Land?
Grün, klein, reich an Kultur ist der Titel meiner Vorträge über dieses Land in der Mitte Europas. Das trifft es. Slowenien ist ein kleines Land etwa in der Größe von Hessen. Es ist ein grünes Land, das für den Erhalt der Bienen und Naturschutz wirbt. Etwa ein Drittel seines Gebietes stehen unter Naturschutz. Das begeistert mich. Außerdem ist es reich an Kultur, wie ich bei meinen Vorträgen durch zahlreiche Bilder belege, aufgenommen in Maribor, Celje und anderen Orten. Ich hatte das Gefühl, die Häuser – auch auf dem Land – sind gut „in Schuss“, d.h. man sieht kaum abbröckelnde Hausfassaden. Die Bevölkerung ist fleißig und bildungsbeflissen. Bildung wird großgeschrieben. Es gibt nur 0,3 Prozent Analphabeten.

Haben sie von den Frauen dort etwas mit nach Deutschland gebracht?
Den Frauen in Slowenien war es wichtig, uns ihr schönes Land vorzustellen und die Situation und Probleme der Frauen zu schildern. Zwei Hauptthemen waren: Gewalt gegen Frauen und ihre schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt. Wir führten ein Gespräch mit der Aktivistin Sonja Lokar. Sie ist Politikerin und Soziologin. Schon zu sozialistischer Zeit im ehemaligen Jugoslawien hat sie sich für die Belange von Frauen eingesetzt. Von ihr erfuhren wir: Früher sei Gewalt gegen Frauen gar nicht so aufgefallen. Auch werde seit der Staatsgründung 1991 immer deutlicher, dass große Unterschiede zwischen Mann und Frau gemacht werden. Die Arbeitsplätze würden jetzt vorwiegend den Männern gegeben, obwohl die Frauen sehr gut qualifiziert sind. Wichtig ist mir auch, dass der Weltgebetstag den Romni eine Stimme gibt. Seit Bestehen der Marktwirtschaft, geht es dieser Bevölkerungsgruppe schlechter. Früher waren sie besser integriert, hatten Arbeit. Eine Ausnahme ist das Romadorf Pušca ganz im Nordosten, das wir besuchten. Diese Informationen fand ich schon sehr bewegend, zumal die Presse in Deutschland über Slowenien kaum etwas berichtet – eine Ausnahme bilden Sportnachrichten – dabei liegt es quasi vor der Haustür.

Weltgebetstag seit 1927

Der Weltgebetstag wird jedes Jahr von christlichen Frauen aus einem anderen Land vorbereitet und am ersten Freitag im März in mehr als 120 Ländern rund um den Globus gefeiert. Glaube, Gebet und Handeln für eine gerechte Welt gehören in der weltweit größten ökumenischen Frauenbewegung untrennbar zusammen. Im Jahr 2018 kamen in Deutschland anlässlich des Weltgebetstags aus Surinam Spenden und Kollekten von über 2,5 Mio. Euro zusammen. Neben der internationalen Weltgebetstagsbewegung wurden mit diesem Geld 58 Frauen- und Mädchen-Organisationen in 26 Ländern gefördert.

Die Idee hat ihre Wurzeln in einem Gebetstag der Frauenmissionswerke in den USA und Kanada im Jahr 1887, der erste Weltgebetstag wurde 1927 gefeiert. Seit 1971 sind auch die katholischen Frauenverbände Mitglieder im deutschen Weltgebetstagskomittee.

Slowenien liegt an der Adriaküste und grenzt an Italien, Österreich, Ungarn und Kroatien. Als sich Jugoslawien 1991 auflöste wurde Slowenien unabhängig und ist seit 2004 Mitglied der Europäischen Union. Von den rund 2 Millionen Einwohnern leben rund 290.000 in der Hauptstadt Ljubiljana. Laut einer Volkszählung von 2002 sind 61 Prozent der Bevölkerung Christen (57,8 Katholiken, 2,3 Prozent Orthodoxe, 0,9 Prozent Evangelische) und 2,5 Prozent Muslime.